Der schlaflose Prinz und das mutige Faultier
Eine Gute-Nacht-Geschichte von
Lesezeit: 12’
Altersempfehlung: 5+
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E
s war einmal ein mächtiger und weiser König, der in seinem Reich mit großer Güte regierte. Er hatte
einen starken und klugen Sohn, auf den er sehr stolz war: Prinz Siegfried. Eine Sorge plagte den König
jedoch: Der junge Prinz konnte nachts einfach nicht schlafen.
Der König tat im ganzen Königreich kund, dass derjenige, der die Schlaflosigkeit seines Sohnes
beenden könne, mit großem Glück und königlicher Dankbarkeit belohnt würde.
“Großer König, ich weiß, wie der Prinz vom Fluch der Schlaflosigkeit befreit werden kann”
Die größten Gelehrten und die berühmtesten Ärzte reisten aus allen benachbarten Königreichen an.
Sie alle gaben ihr Bestes, jedoch vergebens – nichts konnte dem Prinzen dabei helfen, erholsamen
Schlaf zu finden.
Viele Wochen, sogar Monate, vergingen. Obwohl viele ihr Glück versuchten, konnte doch niemand
dem Sohn des Königs helfen – bis zu jener kühlen Herbstnacht, in welcher eine alte Frau den
königlichen Palast aufsuchte und darum bat, mit dem König sprechen zu dürfen:
“Majestät, ich weiß, wie der Prinz vom Fluch der Schlaflosigkeit befreit werden kann”, sagte die
Greisin.
“Oh, alte Frau, nenne das Heilmittel und ich werde dir alles geben, was dein Herz wünscht!”
“Mein barmherziger König, ich kann dem Prinzen nur mit einem Rat helfen: Er muss den Schlaf selbst
finden.
Und lasst ihn wissen, dass er ihn hier nicht finden kann, verborgen zwischen all den königlich-
weichen Kissen. Er muss zu den Ruinen des alten Schlosses, weit hinter den dunklen Wäldern liegend.
Aber der Prinz soll Acht geben: Ein böser Geist, Gasper ist sein Name, hat sich dort versteckt. Er,
Gasper, ist es, der den Schlaf stiehlt. Nicht nur deinem lieben Prinzen, sondern auch vielen deiner
Untertanen!”
“Was sagst du da? Ich kann nicht glauben, dass meinem unschuldigen Volk solches Leid zugefügt
wird! Lass die Armee sich sammeln! Wir ziehen gegen diesen bösen Geist in den Krieg!
“Oh guter König, nicht die stärkste Armee kann diesen Geist bezwingen. Ihr könnt ihn weder fesseln
noch mit Schwertern verletzen – keine eurer Waffen kann Gasper etwas anhaben! In alten Schriften
steht geschrieben, dass nur ein wahrer Prinz das böse Geschöpf besiegen kann. Mit der Hilfe eines
ganz besonderen Wesens – einem, dessen Dasein der Geist nicht erwartet…”
“Nun gut, so sei es, alte Frau! Wenn du recht hast, werde ich dich wahrlich mit Gold überschütten!”
So kam es, dass der schlaflose Prinz sich nächsten Morgen schweren Herzens vom Königspaar verabschiedete und seine lange Reise zu den fernen Schlossruinen antrat.
Am siebten Tag seiner Reise erreichte er die dunklen Wälder mit ihren alten, ehrfurchtgebietenden
Baumriesen. Die Bäume standen so dicht beieinander, dass selbst der Nebel kaum hindurchdringen
konnte und das Sonnenlicht Mühe hatte, den Boden zu berühren.
Nach ein paar Stunden des Fußmarsches durch den finstern Tann blieb der erschöpfte Prinz erstaunt
stehen. Er vernahm ein merkwürdiges Geräusch. Erst ganz leise und kaum hörbar, dann wurde es
immer lauter und lauter: Kräftige, ja nahezu sägende Schnarchlaute, gefolgt von kurzen, wohligen
Grunzgeräuschen.
Vorsichtig griff Prinz Siegfried zu seinem Schwert und näherte sich behutsam der Quelle dieser
seltsamen Laute. Er achtete darauf, ganz leise zu sein und nicht auf das knisternde Laub zu treten.
Welches Monster auch immer im Dickicht schlummern mochte, wecken wollte er es nicht…
Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, nahm der Prinz seinen ganzen Mut zusammen und
schob das dichte Blattwerk beiseite. Und was musste er dort entdeckten? Ein kleines, zotteliges
Wesen hatte sich auf einem großem Laubhaufen zusammengerollt und schnarchte so laut, dass der
ganze Wald erzitterte!
Es war ein ganz besonderes Fabelwesen, welches der schlaflose Prinz da entdeckt hatte: Ein Faultier!
Viele Legenden hatte er über die fabelhaften Kreaturen gehört, doch nie zuvor war er einer leibhaftig
gegenübergestanden – bis jetzt. Überrascht starrte er das schnarchende Faultier an.